Würzburg | Beitrag der Redaktion | 25. November 2025
Persönlichkeiten aus Würzburg: Theresa Jörg vom Frauenhaus im SkF Würzburg

Herzlich willkommen zur November-Ausgabe unserer Reihe ‘Persönlichkeiten aus Würzburg’. Dieses Mal widmen wir uns einem extrem wichtigen und ernsten Thema: Gewalt gegen Frauen. Am 25. November ist der Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen – ein Gedenktag, der uns alle daran erinnern muss, dass dieses Problem mitten in unserer Gesellschaft existiert und uns alle angeht.

Um auf die Situation in Würzburg aufmerksam zu machen und über Hilfe und Prävention zu sprechen, freuen wir uns sehr, heute eine Frau vorzustellen, die sich tagtäglich für den Schutz und die Stärkung von Frauen einsetzt: Theresa Jörg, die Leiterin des Frauenhauses im Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) Würzburg.

Die Arbeit des Frauenhauses

Theresa, das Frauenhaus bietet von Gewalt betroffenen Frauen und ihren Kindern Schutz und Unterstützung. Welche konkreten Hilfsangebote und Schritte sind für Frauen, die bei euch ankommen, am wichtigsten, und wie hat sich der Bedarf in Würzburg in den letzten Jahren verändert?

Zuerst ist es wichtig, dass Frauen und Kinder in einer sicheren Umgebung zur Ruhe kommen und durch die Anonymität des Hauses wieder aufatmen können. Wir kümmern uns um die finanzielle Absicherung sowie um Regelungen zum Umgangs- und Sorgerecht und veranlassen bei Bedarf ein Kontakt- oder Näherungsverbot. Neben der Aufarbeitung der Gewalterfahrungen entwickeln wir gemeinsam mit den Frauen eine Zukunftsperspektive und unterstützen ihre Vernetzung in Würzburg. Auch Frauen, die nicht in ein Frauenhaus ziehen möchten, können die fachspezifische Beratung des Frauenhauses in Anspruch nehmen und über ihre Erfahrungen sprechen

Femizide – Die extremste Form der Gewalt

Der Begriff Femizid rückt immer stärker in den Fokus und Studien des BKA machen deutlich: Fast jeden Tag wird in Deutschland eine Frau getötet, weil sie eine Frau ist. Wie wichtig ist es, von ‘Femizid’ statt von ‘Beziehungsdrama’ zu sprechen, und welche Rolle spielt das Frauenhaus im Kontext der Hochrisikofälle – also in der präventiven Arbeit, um solche Taten in unserer Region zu verhindern?

Der Begriff Femizid ist entscheidend, weil er benennt, was tatsächlich passiert: Frauen werden getötet, weil sie Frauen sind. Wenn wir stattdessen von „Beziehungsdramen“ sprechen, verharmlosen wir die Gewalt und machen ihre gesellschaftlichen Ursachen unsichtbar.

Das Frauenhaus spielt dabei eine wichtige Rolle – wir schützen Frauen in akuter Gefahr, unterstützen sie bei rechtlichen Schritten und arbeiten eng mit Polizei und Behörden zusammen. Gleichzeitig leisten wir Präventions- und Aufklärungsarbeit, um zu verhindern, dass Gewalt so weit eskaliert.

Herausforderungen und Engpässe

Welches sind aktuell die größten Herausforderungen in deiner täglichen Arbeit? Gibt es Engpässe – sei es bei der Finanzierung, den Kapazitäten oder der Suche nach ‘Second-Stage’-Wohnungen in Würzburg – und was müsste sich aus deiner Sicht politisch oder gesellschaftlich dringend ändern, um diese zu beheben?

Eine der größten Herausforderungen ist die hohe Auslastung. Unsere Plätze sind fast durchgehend belegt, und die Suche nach Wohnungen für Frauen und Kinder, die das Frauenhaus verlassen möchten – ist äußerst schwierig. Der angespannte Wohnungsmarkt in Würzburg führt dazu, dass viele Frauen länger bleiben müssen, als eigentlich nötig wäre. Auch die Finanzierung bleibt ein zentrales Thema: Viele Angebote sind projektgebunden oder von Spenden abhängig, obwohl sie zur Grundversorgung gehören sollten. Wir hoffen daher sehr, dass im Rahmen des neuen Gewalthilfegesetzes, das derzeit auf Länderebene ausgestaltet wird, einige unserer langjährigen Forderungen umgesetzt werden.

Darüber hinaus müssen wir gesellschaftlich genauer hinschauen, Gewalt gegen Frauen klar benennen und ihr entschieden entgegentreten. Politisch wie gesellschaftlich brauchen wir endlich die konsequente Umsetzung der Istanbul-Konvention, die allen Frauen ein Leben frei von Gewalt garantiert. Nur wenn wir Gewaltschutz als gemeinsame Aufgabe verstehen, können wir langfristig echte Sicherheit schaffen.

Bedeutung des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen

Der 25. November macht jährlich auf die Relevanz des Themas aufmerksam. Abgesehen von der Sichtbarkeit an diesem Tag: Welche Rolle spielen Veranstaltungen und öffentliche Aktionen in Würzburg für die Prävention und um das Schweigen über dieses tabuisierte Thema zu brechen?

Öffentliche Aktionen wie der 25. November sind wichtig, um das Schweigen zu brechen und Solidarität sichtbar zu machen. In Würzburg beteiligen wir uns an der Menschenkette in der Domstraße und freuen uns über alle, die beim Fahnenhissen ein Zeichen setzen. So geben wir Frauen eine Stimme, die in unserer Gesellschaft oft keinen Platz finden, und machen sichtbar: Gewalt gegen Frauen betrifft uns alle – und gemeinsam können wir etwas verändern.

Häusliche Gewalt in der Region Würzburg

Häusliche Gewalt passiert oft hinter verschlossenen Türen und mitten in unserer Gesellschaft. Welches Bild zeichnet sich in Würzburg ab – welche Mythen über Gewalt gegen Frauen halten sich hartnäckig, und was ist die zentrale Botschaft, die jede Würzburgerin und jeder Würzburger verstehen sollte, um Gewalt frühzeitig zu erkennen oder zu verhindern?

Häusliche Gewalt passiert oft hinter verschlossenen Türen – mitten in unserer Gesellschaft, auch in Würzburg. Ein hartnäckiger Mythos ist, dass Gewalt nur in „problematischen Familien“ vorkommt. In Wahrheit kann jede Frau betroffen sein, unabhängig von Alter, Bildung oder Hintergrund.

Die zentrale Botschaft lautet: Gewalt ist niemals privates Schicksal, sondern ein gesellschaftliches Problem. Prävention ist dabei entscheidend: Je früher Kinder und Jugendliche über das Thema aufgeklärt werden, desto besser können sie Gewalt erkennen und verhindern. Mit unserem Programm Präge versorgen wir Schulen in unserer Region und klären Schüler:innen altersgerecht über Gewaltprävention auf.

Prävention und Zivilcourage

Gewalt gegen Frauen ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Was können wir als Bürgerinnen und Bürger – konkret als Freundinnen, Nachbarn oder Kolleginnen – tun, um Anzeichen von Gewalt im Umfeld wahrzunehmen, und welche niedrigschwelligen Hilfsangebote oder Anlaufstellen (neben dem Frauenhaus) in Würzburg können Betroffene oder besorgte Dritte kontaktieren?

Gewalt gegen Frauen ist ein gesamtgesellschaftliches Problem – und wir alle können etwas tun. Als Freund:innen, Nachbarn:innen oder Kolleg:innen ist es wichtig, aufmerksam zu sein: Rückzug, Angst, Einschüchterung oder Kontrolle können Warnsignale sein. Hinhören, ernst nehmen und sensibel nachfragen kann Betroffenen bereits helfen.

Niedrigschwellige Unterstützung erhalten Betroffene in Würzburg über die fachspezifische Beratung des Frauenhauses. Hier können nicht nur Betroffene selbst, sondern auch Angehörige, Freund:innen, Schulen, Beratungsstellen oder Behörden jederzeit telefonisch, persönlich oder online Informationen einholen und Hilfe bekommen.

Du brauchst Hilfe? Du bist nicht allein!

Der Inhalt dieses Interviews kann emotional aufwühlend sein. Wenn du oder eine dir nahestehende Person von häuslicher oder sexueller Gewalt betroffen ist, zögere bitte nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es gibt Wege aus der Gewalt.

Wichtige und kostenlose Anlaufstellen:

  • Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen: 116 016 – Bundesweites, anonymes und barrierefreies Beratungsangebot.
  • Frauenhaus Würzburg: 0931 45007-77 – Direkter Schutz und Zuflucht in deiner Region.
  • Ärztliche Hilfe: Nutze die “Spurensicherung” in Krankenhäusern auch ohne Anzeige bei der Polizei, um Beweise sichern zu lassen.
  • Im Notfall: Rufe immer die Polizei unter 110 an.